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Verhandlungstermin am 20. März 2018, 11.00 Uhr, im Berufungsverfahren 2 U 21/17 über Staatshaftungsansprüche von "Altanschließern" wegen rechtswidriger Gebührenbescheide

- Erschienen am 06.02.2018

Der für Staatshaftungsansprüche zuständige 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat auf Dienstag den 20. März 2018, 11.00 Uhr, Termin zur Berufungsverhandlung anberaumt im ersten eingegangenen Berufungsverfahren betreffend eine Klage sogenannter „Altanschließer“ gegen einen Wasser- und Abwasserzweckverband auf Schadensersatz wegen eines aus Sicht der Kläger rechtswidrigen Anschlussbeitragsbescheides.

Die auf die mündliche Verhandlung  folgende Entscheidung des Senats wird die einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen zugrundeliegende Rechtsfrage betreffen, ob der Erlass eines im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 – objektiv rechtswidrigen Abgabenbescheides nach Eintritt der Bestandskraft zu einer Schadensersatzpflicht nach dem fortgeltenden Staatshaftungsgesetz der DDR oder nach § 839 BGB (Amtspflichtverletzung) führt. 

Da voraussichtlich die Revision zugelassen und zu erwarten sein wird, dass die unterliegende Partei Rechtsmittel einlegen wird, beabsichtigt der Senat, zunächst auf eine Verhandlung in weiteren gleich gelagerten Berufungsverfahren zu verzichten, um für die Parteien keine vermeidbaren Rechtsverfolgungskosten zu verursachen.

Dem zur Verhandlung stehenden Berufungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagenden Grundstückseigentümer sind durch einen am 15. November 2011 vom Beklagten erlassenen Beitragsbescheid zur Zahlung von 1.321,96 € für einen Anschluss ihres Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgungsanlage herangezogen worden. Der Anschluss wurde bereits vor dem 1. Januar 2000 erstellt. Ihr Widerspruch gegen den Bescheid ist zurückgewiesen worden. Den Widerspruchsbescheid haben die Kläger nicht angefochten.

Durch Beschluss vom 12. November 2015 hat das Bundesverfassungsgericht – 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 – auf die Verfassungsbeschwerden anderer im Land Brandenburg zur Beitragspflicht herangezogener Grundstückseigentümer entschieden, dass die dort ergangenen Beitragsbescheide nicht mit der Verfassung vereinbar seien. Die Bescheide waren in Anwendung einer am 1. Februar 2004 in Kraft getretenen Änderung des brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes (KAG Bbg) (GVBl. I 2003, S. 294) ergangen. Diese Änderung regelt § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg dahin, dass die sachliche Beitragspflicht für eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage, die der Versorgung oder der Abwasserbeseitigung dient, frühestens mit dem „Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung“ entsteht. Die Entstehung der Beitragspflicht, die für den Beginn der bei der Festsetzung von Beiträgen zu beachtenden Verjährungsfrist maßgeblich ist, war vor Inkrafttreten der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg lediglich an das „Inkrafttreten der Satzung“, nicht aber einer „rechtswirksamen Satzung“ geknüpft. Danach war die Beitragspflicht auch dann entstanden, wenn eine Beitragssatzung in Kraft gesetzt, später aber wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden ist. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass die der Entscheidung zugrunde liegenden Bescheide, die aufgrund einer erst zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Satzung ergangen waren, obwohl der Anschluss des Grundstücks bereits vor Inkrafttreten einer älteren, später als rechtswidrig aufgehobenen Satzung erfolgt war, eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes darstellten und mit dem Gebot, dass Rechtsnormen nicht nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreifen dürfen („echte Rückwirkung“) nicht vereinbar seien.

Ein im Jahr 2016 von den Klägern gestellter Antrag auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Festsetzung der Anschlussgebühren wurde zurückgewiesen. Mit ihrer Schadensersatzklage machen die Kläger geltend, dass der ihnen gegenüber ergangene Beitragsbescheid des Beklagten aus den Gründen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung rechtswidrig sei.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat den beklagten Verband durch sein am 5. Mai 2017 verkündetes Urteil zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund § 1 Abs. 1 des im Land Brandenburg fortgeltenden Staatshaftungsgesetzes der DDR verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der ergangene Abgabenbescheid sei objektiv rechtswidrig und begründe eine Schadensersatzpflicht unabhängig vom Verschulden des Beklagten. Die Bestandskraft des rechtswidrigen Beitragsbescheides stehe dem Anspruch nicht entgegen, da es den Klägern bei Bekanntgabe des Bescheides im Jahr 2011 nicht zumutbar gewesen sei, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Die zu diesem Zeitpunkt ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Landesverfassungsgerichts Brandenburg hätte die Heranziehung von sogenannten „Altanschließern“ für unbedenklich gehalten. § 79 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, der den Fortbestand nicht mehr anfechtbarer Entscheidungen aufgrund eines für verfassungswidrig und damit nichtig erklärten Gesetzes vorsehe, schließe den Anspruch der Kläger ebenso wenig aus, da die Norm nicht anwendbar sei. Durch den Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 seien lediglich die gegenüber den dortigen Klägern ergangenen Bescheide aufgehoben worden, § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg sei aber nicht für nichtig erklärt worden. Der Schadensersatzanspruch der Kläger sei auch nicht verjährt, weil die einjährige Verjährungsfrist nach § 4 Abs. 2 StHG rechtzeitig unterbrochen worden sei.

Gegen die Entscheidung richtet sich der beklagte Zweckverband mit seiner Berufung, mit der er seine abweichende Rechtsauffassung darlegt. Das Land Brandenburg ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten als Streithelfer beigetreten.

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 5. Mai 2017 – 11 O 312/16 -

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Datum
06.02.2018
Rubrik
Brandenburgisches Oberlandesgericht